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Marktanalyse - Kalenderwoche 15/2025

  • martin1060
  • vor 12 Minuten
  • 7 Min. Lesezeit

Der Handelskrieg ist noch nicht vorbei – er hat gerade erst begonnen. Die nächste Krise wird jedoch wahrscheinlich durch US-Staatsanleihen ausgelöst.




Auch wenn Präsident Trump seine angekündigten Gegenzölle für 90 Tage ausgesetzt hat, bedeutet das keineswegs, dass der Handelskrieg vorbei ist. Die 10%-Zölle auf Importe aus allen Ländern, mit Ausnahme Chinas, bleiben weiterhin bestehen. Gleichzeitig sehen wir, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China in eine neue Eskalationsphase eingetreten ist. Es geht für Trump anscheinend darum, dass andere Nationen aufhören müssen, die USA „auszunutzen“. Diese Pause ist also nichts weiter als eine letzte Gelegenheit für andere Länder, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, ansonsten wird die Eskalation fortgesetzt.


Trotz dieser Entwicklungen erwarten wir in den kommenden Wochen eine gewisse Entspannung. Unternehmen werden beginnen, Wege zu finden, um mit den bestehenden Zöllen umzugehen, sei es durch Kostenanpassungen, durch intelligente Umstrukturierung ihrer Lieferketten oder durch kreative Umgehungsstrategien. Dadurch könnte sich der wirtschaftliche Schaden als weniger gravierend erweisen als zunächst befürchtet.


In diesem Umfeld erwarten wir, dass Trump erste bilaterale Handelsabkommen anstrebt. Japan scheint hierbei ganz oben auf seiner Prioritätenliste zu stehen, warum das so ist, beleuchten wir später im Bericht genauer.

Quelle: Twitter X: Peter Berezin, @PeterBerezinBCA, 11.04.2025

 

Die Grafik zeigt den effektiven US-Zollsatz, also die erhobenen Zölle als Prozentsatz der gesamten Importe von 1900 bis zum Jahr 2025. Historisch gesehen hielt die USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hohe Zollsätze aufrecht, mit einem Höhepunkt rund um das Jahr 1930 durch das Smoot-Hawley Tariff Act, das weithin dafür verantwortlich gemacht wird, die Weltwirtschaftskrise verschärft zu haben, da es weltweit zu einer Welle von Vergeltungszöllen führte.


Nach dem Zweiten Weltkrieg sanken die Zollsätze stetig, da die USA eine Politik der Handelsliberalisierung verfolgten. Bis Anfang der 2000er Jahre lagen die Zollsätze auf historisch niedrigem Niveau.


Unter der Regierung von Präsident Trump kommt es zu einer deutlichen Abkehr von diesem langjährigen Trend. Die Grafik zeigt drei Szenarien für effektive Zollsätze auf Grundlage der während Trumps Amtszeit eingeführten Massnahmen. Der Grüne Punkt stellt ein Basisszenario mit einem allgemeinen Zoll von 10% auf alle Importe dar. Der rote Punkt kommt hinzu durch einen zusätzlichen Zoll von 125% auf chinesische Waren, wobei davon ausgegangen wird, dass die Importe aus China um 50% sinken. Der schwarze Punkt geht noch weiter und bezieht zusätzliche 25%-Zölle auf Stahl, Aluminium, Autos und wichtige Autoteile mit ein, wodurch der effektive Zollsatz auf knapp unter 20% ansteigt.


Dies ist besonders bemerkenswert, weil selbst mit der 90-tägigen Aussetzung der länderspezifischen Zölle, die Gesamtbelastung durch Zölle weiterhin auf einem Niveau bleibt, das zuletzt in den 1930er Jahren erreicht wurde. Mit anderen Worten: Die vorübergehende Aussetzung ändert wenig am Gesamtbild, unter Trump bleiben die Zölle historisch hoch, vergleichbar mit einer Ära, die weithin als wirtschaftspolitischer Fehltritt angesehen wird.


Zusammenfassend kann gesagt werden, die Grafik zeigt nicht nur den aktuellen Stand der US-Zollpolitik, sondern dient auch als visuelle Warnung: Trotz kurzfristiger Pausen oder politischer Anpassungen hat Trump die Handelsbarrieren deutlich erhöht, zurück auf ein Niveau des Protektionismus, wie es seit nahezu einem Jahrhundert nicht mehr gesehen wurde. Ob sich dies als erfolgreiche Verhandlungstaktik erweist oder als Bremse für das Wirtschaftswachstum, bleibt eine zentrale Frage für Politik und Wirtschaft gleichermassen.


Wir konnten in der letzten Woche deutlich beobachten, wie stark Investoren auf die Nachrichten rund um die Zölle reagierten. Die Ankündigung neuer Zölle führte zunächst zu einem regelrechten Einbruch an den Märkten, während die Nachricht über die 90-tägige Aussetzung eine Phase fast euphorischer Erleichterung auslöste.

Doch während sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hauptsächlich auf die Märkte und die unmittelbaren Auswirkungen der Zölle auf die Börsenkurse richtet, sehen wir ein viel größeres Risiko; in der rasant wachsenden US-Staatsverschuldung, die sich zunehmend zu einem strukturellen Problem entwickelt und langfristig die Stabilität der Weltwirtschaft gefährden könnte.


 Quelle: Twitter X: Gordon Johnson, @GordonJohnson19, 10.01.2025

 

Die zweite Grafik zeigt die Laufzeit bzw. die Fälligkeit der amerikanischen Staatsanleihen. 2025 müssen Staatsanleihen im Volumen von 7 Billionen US-Dollar refinanziert werden, zusätzlich zur ohnehin wachsenden Neuverschuldung.

Diese Entwicklung wurde durch die Zollankündigung der Trump-Regierung zusätzlich verschärft. Teils unbeabsichtigt führte sie zu einem tiefgreifenden Bruch der bisherigen wirtschaftlichen Ordnungen. Der jahrzehntelang etablierte Mechanismus, bei dem die USA konsumorientiert agieren und sich über Schulden finanzieren, während China und Japan als Exportnationen mit hoher Sparquote auftreten und einen Teil davon in US-Staatsanleihen anlegen, gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Der daraus resultierende Zusammenbruch wesentlicher monetärer, politischer und geopolitischer Strukturen bedroht nicht nur die Stabilität der USA, sondern das gesamte globale Wirtschaftsgefüge.


Quelle: NZZ, Bloomberg, 11.04.2025

 

Die Grafik zeigt die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen von Mitte März bis Anfang April 2025. Zunächst stabil, beginnen die Renditen Ende März und Anfang April zu sinken und erreichen ein Tief von knapp unter 3,9%. Dieser anfängliche Rückgang war eine direkte Reaktion auf die Ankündigung neuer Zölle durch die US-Regierung. Die Märkte interpretierten die Massnahmen als rezessionsfördernd, viele Investoren rechneten mit einer wirtschaftlichen Abschwächung und suchten Schutz in sicheren Anlageformen wie US-Staatsanleihen. Die gestiegene Nachfrage nach diesen Papieren liess deren Preise steigen und die Renditen entsprechend sinken.


Doch dieser Trend wurde abrupt umgekehrt: Die Renditen stiegen bis zum 9. April sprunghaft auf über 4,4% an. Ein so plötzlicher und starker Anstieg der Renditen ist höchst ungewöhnlich, insbesondere in Zeiten wachsender Unsicherheit oder Krise. Dieses ungewöhnliche Verhalten, steigende Zinsen trotz wachsender Unsicherheit, deutet auf einen tiefgreifenden Vertrauensverlust hin. Normalerweise gelten US-Staatsanleihen als globaler sicherer Hafen: In Phasen der Instabilität steigt die Nachfrage nach diesen Anleihen, was deren Renditen sinken lässt. In diesem Fall jedoch geschah das Gegenteil. Trotz zunehmender Unsicherheit ging die Nachfrage nach US-Staatsanleihen zurück, was die Renditen steigen ließ. Dies deutet auf einen ernsthaften Vertrauensverlust hin. Wenn Investoren beginnen, selbst an der Sicherheit von US-Staatsanleihen zu zweifeln, ist das ein klares Warnsignal für die globalen Märkte. Eine solche Abweichung vom üblichen Verhalten sollte weltweit Alarmglocken schrillen lassen – denn eine nachlassende Nachfrage nach US-Anleihen kann rasch in eine umfassendere Vertrauenskrise münden, mit globalen Auswirkungen angesichts der zentralen Rolle des US-Dollars im internationalen Finanzsystem.


Der zugrunde liegende Auslöser dieses Wandels ist das wachsende Misstrauen gegenüber der aktuellen US-Regierung. Die Rückkehr Donald Trumps hat eine Welle politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit ausgelöst. Die Märkte fürchten erratische politische Entscheidungen, fiskalische Disziplinlosigkeit und einen Verfall institutioneller Normen. Infolgedessen verlangen Investoren höhere Risikoprämien für das Halten von US-Schuldtiteln, was die Refinanzierungskosten der Regierung steigen lässt. Selbst Trump schien den Ernst der Lage zu erkennen; er nannte die Turbulenzen an den Anleihemärkten als einen der Gründe für seine überraschende Ankündigung, eine 90-tägige Pause für neue Zölle einzulegen.


Stephen Miran, der neue Chairman des Council of Economic Advisors und einer der zentralen Architekten hinter Trumps Wirtschaftskurs, hat drei Massnahmen ins Spiel gebracht:

  • die Einführung von Zöllen,

  • die Umwandlung von ausländischen Institutionen gehaltenen US-Staatsanleihen in sehr langfristige und niedrig verzinsliche Staatspapiere,

  • sowie die Erhebung von Gebühren auf US-Wertpapiere, die im Besitz ausländischer Investoren sind.


Während die Zölle bereits Realität sind, hat Trump selbst die Umwandlung ausländischer US-Staatsanleihen mehrfach als denkbare Option genannt. Trump hat diese Überlegungen in mehreren Interviews öffentlich angedeutet. Doch gerade solche Aussagen sind höchst problematisch, sie untergraben das Vertrauen internationaler Investoren und werfen grundlegende Fragen nach der Berechenbarkeit und Vertragstreue der US-Regierung auf.


All dies zeichnet ein beunruhigendes Bild. Der Verlust des Status der US-Anleihen als sicherer Hafen ist kein rein innenpolitisches Problem, er hat globale Konsequenzen, von steigenden Finanzierungskosten bis hin zu erhöhter Volatilität auf den Finanzmärkten. Sollte sich dieser Trend fortsetzen und die Angst vor einem Zahlungsausfall der USA weiter zunehmen, könnten die Renditen noch weiter steigen, was die Refinanzierung zusätzlich erschwert und das Vertrauen der Märkte weiter untergräbt. Es entsteht ein gefährlicher Teufelskreis aus Unsicherheit, steigenden Zinsen und sinkender Nachfrage, der in eine ausgewachsene Rezession münden könnte.

 

 Quelle: NZZ, U.S. Treasury, 11.04.2025


Die nächste Grafik zeigt die grössten ausländischen Inhaber von US-Staatsanleihen, gemessen in Milliarden US-Dollar. An der Spitze steht Japan mit etwas mehr als 1,1 Billionen US-Dollar an US-Staatsverschuldung, gefolgt von China mit knapp 900 Milliarden.

Diese Daten sind besonders relevant im Kontext der Turbulenzen rund um die Renditen von US-Staatsanleihen. Während die Renditen steigen und das Vertrauen der Investoren in die fiskalische und politische Stabilität der USA schwindet, gewinnen jene Länder, die grosse Mengen an US-Schulden halten, erheblichen Einfluss auf die US-Regierung. Sollte einer dieser grossen Gläubiger insbesondere Japan oder China grosse Teile seiner Bestände verkaufen, könnte dies den Markt mit US-Anleihen überschwemmen, deren Preise runterdrücken und die Renditen weiter in die Höhe treiben. Dadurch entsteht eine verwundbare Lage für die USA. Die Regierung muss äusserst umsichtig agieren, um nicht eine solche Verkaufswelle auszulösen – was Ländern wie Japan und China de facto ein mächtiges Druckmittel in geopolitischen und wirtschaftlichen Verhandlungen verschafft.


Donald Trumps Bemühungen, um als Erstes ein Handelsabkommen mit Japan zu finden, sind wohl kaum ein Zufall. Angesichts Japans Rolle als grösster ausländischer Gläubiger der USA ist es essenziell, stabile bilaterale Beziehungen aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang wird deutlich: Die Schulden selbst sind nicht nur ein finanzieller Vermögenswert, sondern ein geopolitisches Instrument.


Natürlich besteht in einem solchen Szenario die Möglichkeit, dass die US-Notenbank einspringt und verstärkt Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen zu senken und die Märkte zu stabilisieren. Doch dies hätte erhebliche Nebenwirkungen: Mit dem Ankauf von Anleihen würde die Fed zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpen, ein klar inflationärer Impuls. Angesichts der ohnehin erwarteten Teuerung durch neue Zölle könnte dies zu einer Eskalation der Inflation führen. Zudem steht die Fed unter dem Mandat der Preisstabilität. In einer solchen Lage müsste sie daher eigentlich die Bekämpfung der Inflation priorisieren und nicht die Staatsfinanzen der Regierung absichern. Daraus ergibt sich ein gefährlicher Zielkonflikt, der das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der Zentralbank zusätzlich untergraben könnte.

Die Fed steht damit vor einem Dilemma und die Welt fragt sich: Wie lange kann das Vertrauen in die grösste Volkswirtschaft der Welt noch halten?


Vor diesem Hintergrund gewinnt auch die Debatte um einen gezielt geschwächten US-Dollar an Bedeutung. Trump hatte bereits in der Vergangenheit durchblicken lassen, dass ein niedrigerer Wechselkurs aus seiner Sicht wirtschaftspolitisch wünschenswert sei, insbesondere, um die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Exporte zu steigern. Ein schwächerer Dollar könnte zwar kurzfristig die Handelsbilanz entlasten, würde jedoch gleichzeitig das Vertrauen internationaler Investoren in den Dollar als Reservewährung weiter strapazieren. Ein schwächerer US-Dollar könnte internationale Investoren noch mehr davon abhalten, US-Staatsanleihen zu kaufen.





Zusätzliche Bildquellen: Anfangsgrafik Designed by Freepik


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